Um die Königsklasse der Langstrecken-Weltmeisterschaft steht es nicht besonders gut. Nachdem sich Audi zum Ende der Saison aus der LMP1 zurückzog, kämpfen Konzernschwester Porsche und Toyota alleine um Ruhm und WM-Punkte.
Das alles unter dem Einsatz eines beachtlichen Etats.
Doch wie lange behält eine Weltmeisterschaft mit nur zwei Herstellern noch ihren WM-Status?
Währenddessen boomt nämlich die Klasse der LMP2 mit Einheitsmotor und überschaubaren Kosten. Die Fahrzeuge sind auf den Hunaudieres-Geraden heute schon schneller als die LMP1.
Neue Regeln ab 2020 sollen neue Hersteller anlocken
Der Automobil-Weltverband und der ACO haben am Freitag des Le Mans-Wochenendes den groben Fahrplan für das LMP1-Reglement ab 2020 vorgestellt. Ziel der Änderungen: Peugeot und andere Hersteller wieder dazu zu bewegen in die höchste Liga des Langstreckensports einzusteigen und Porsche und Toyota zu halten.
Die folgenden neuen Regeln sollen umgesetzt werden, um Kosten zu reduzieren:
- Einführung eines Token-Systems, wie es die Formel 1 erst wieder abgeschafft hat (da Mercedes zu dominant war).
D. h. dass sich die Hersteller zwischen den Saisons sehr gut überlegen müssen, wie viele Token sie für welche Änderung einsetzen. Effekt: Alle möglichen Weiterentwicklungen des Fahrzeugs werden durchgerechnet und simuliert, aber nicht zwingend umgestetzt. Die Kostenersparnis dürfte eher gering sein, da ein Großteil der Arbeit trotzdem notwendig ist und jede Entwicklung dreimal überdacht werden sollte. - Nur noch ein Aero-Paket pro Saison, dafür aber ein Drag-Reduction Sytem an Front- und Heckflügel.
- Diverse Einschnitte in Sachen Windkanal-Stunden, Team-Stärke und privaten Testtagen.
- Größere Sicherheitszellen zum besseren Schutz der Piloten.
Die Sicherheit darf selbstverständlich nie zu kurz kommen, aber ein neues Monocoque erfordert meist ein komplett neues Auto. - Das bisherige Hybrid-System bleibt im Groben bestehen. Weiterhin maximal 8 Megajoule Hybrid-Power pro Le Mans Runde. Zusätzlich soll der erste Kilometer nach einem Boxenstopp sowie die Fahrt über die Ziellinie rein elektrisch absolviert werden. Dazu darf an der Box auch Strom getankt werden.
Gerade der letzte Punkt erstaunt mich doch ein bisschen und auch die Hersteller schienen von den Plänen wenig begeistert, wenn man dem Medien-Echo glauben darf.
Mit
“Ich geh schon mal eine Kabeltrommel kaufen!”
wird ein Ingenieur im Bezug auf diese Regelung auf motorsport-total.com zititert.
Sicherlich ist der Ansatz der Veranstalter gut, dass die Prototypen Vorreiter für Serienmodelle sein sollen, aber die Plugin-Hybriden von heute kommen schon deutlich weiter als einen einzigen Kilometer.
Außerdem dürfte es für die LMP1-Piloten recht peinlich sein, wenn sie nach einem Boxenstopp plötzlich von LMP2 oder GT-Fahrzeugen überholt werden und diese dann nach dem Dunlop-Bogen wieder überholen dürfen, weil dann wieder die volle Leistung zur Verfügung steht?!
Sinnvoller wäre eher gewesen höhere Hybrid-Klassen zu schaffen (10 MJ aufwärts) und Biokraftstoffe bzw. Wasserstoffantrieb zu fördern.
Aber 1 km rein elektrisch? Da fehlen Hand und Fuß an dieser Regel. Zumal 2020 in der Serienentwicklung vielleicht schon wieder ganz anderer Wind weht.
Wie wäre es zum Beispiel mit einem Prototypen, der nur noch einen kleinen Verbrennungsmotor zum Erzeugen von Strom an Bord hat, aber ansonsten elektrisch fährt? Dies würde Torque-Vectoring ermöglichen, dazu vielleicht Bio-Kraftstoff, aktive Aero-Elemente (DRS) und Solar-Power?
Das wäre Zukunftsmusik!
Wie geht es weiter?
Ich wage mal einen Blick in die Glaskugel und sage folgendes voraus:
Porsche wird früher oder später die LMP1 verlassen. Entweder weil sich der teure Wettkampf gegen nur einen Gegner nicht lohnt (Peugeot kommt wenn überhaupt frühestens 2020, jeder andere Hersteller noch später) oder weil die Niederlage gegen Toyota nicht vertretbar ist, da diese über ein wesentlich kleineres Budget verfügen.
Eventuell ließe sich mit der Penske-Mannschaft ein Kunden-919 einsetzen, aber ob dessen Hightech für ein Privatteam in einem ordentlichen Kostenrahmen einzusetzen ist, ist eher fraglich.
Mit dem GT-Team lässt sich wesentlich günstigeres Marketing betreiben, zumal in der GTE-Wertung mit Corvette, Ford, Ferrari, Aston Martin und zukünftig auch BMW wesentlich mehr Hersteller am Start sind. Da lässt sich ein Sieg viel besser verkaufen.
Momentan scheint der Zuffenhausener Hersteller außerdem schon seine Fühler in Richtung Formula E auszustrecken.
Toyota könnte auch recht schnell die Reisleine ziehen. Würden die Japaner dieses Jahr gewinnen, hätten sie ihr langfristiges Ziel endlich erreicht.
Wo geht die Reise hin? Entweder muss das Reglement der LMP1 in naher Zukunft deutlich verändert werden oder die Klasse ist vielleicht schon nächstes Jahr tot.
Mit der Markenvielfalt der GTE könnten die GT-Fahrzeuge wieder zur Königsklasse der Langstrecken-WM werden.